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Literaturkurs 2023

„72 Stunden. Eine Anklage“ – Ein Theaterstück, das Bewusstsein schafft

„Gewalt an Frauen - Ein höchst wichtiges Thema, das im Alltag zu wenig Beachtung findet. Ich bin stolz, dass sich der Literaturkurs unserer Schule diesem Thema gewidmet hat, um dafür zu sensibilisieren.“ Mit diesen Worten eröffnet der Schulleiter Andreas Hansmeier am Donnerstagvormittag, 01.06.2023, in der Aula der Integrierten Gesamtschule Bonn Beuel das Theaterstück „72 Stunden – Eine Anklage“, welches der diesjährige 12er Literaturkurs unter der Leitung der Deutsch- & Psychologielehrerin Ron-Caprice Schmickler als erstes Theaterstück nach der Corona-Zeit wieder auf die Bühne bringt. Ein großer an die Wand projizierte 72-Stunden-Countdown fängt nach einem Frauenschrei, welcher die Stille schrill durchdringt, an zu laufen. Ab jetzt sind es genau 72 Stunden bis ein weiterer Mord an einer Frau begangen wird, sprich drei Tage für das Inspektoren-Team Dohnal Zeit, zu verstehen, anzuklagen und aufzuklären, um im besten Fall die nächsten Frauenmorde besser verhindern zu können.

Zum Hintergrund des Stücks: Jeden dritten Tag, alle 72 Stunden, wird eine Frau in Deutschland von ihrem eigenen Partner, dem Ex-Partner oder einem gekränkten Abgewiesenen ermordet oder so schwer verletzt, dass sie daran stirbt. Seit einigen Jahren gibt es dafür einen Fachbegriff: Femizide!

„Das Ziel des Theaterstücks“, erläutert Frau Schmickler, „ist es, den systemimmanenten Ursprüngen dieser Frauen-Morde auf den Grund zu gehen und sie beim Namen zu nennen, um Verharmlosung und Vertuschung entgegenzuwirken.“ Die Ursachen dieser Femizide müssten als gesamtgesellschaftliches Problem ernst genommen werden, beschreibt Frau Schmickler weiter, da nämlich noch immer von "Einzeltätern" ausgegangen und der Mord als Beziehungstat privatisiert werde, an dem die Frau möglicherweise nicht ganz unschuldig sei. Dieses tiefsitzende patriarchale Vorurteil versucht das Inspektorenteam Dohnal, sehr überzeugend gespielt von Maire Koy und Leo Iven, zu beleuchten, indem sie nach dem Mord an Eva, wie die ermordete Frau in diesem Stück stellvertretend für die vielen anderen genannt wird, Vertreter und Vertreterinnen gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen aufsuchen, von denen sich die Ermordete Unterstützung erhoffte – vergeblich! Die Nachbarinnen, die Jugendlichen, die Polizei, die Politik, die Justiz, die Medien und die Kirche tragen alle eine gewisse Mitschuld am Tod von Eva, da sie nicht genug getan haben, um dies zu verhindern und sie zu schützen, da sie patriarchale Strukturen unbewusst reproduzieren. Die Inspektoren führen in glänzender Rhetorik den Zuschauenden diese Mitschuld vor Augen, die sich durch Fehleinschätzungen, unterlassene Hilfeleistung, Vorurteile, Egoismus und mangelnde Präventivmaßnahmen symbolisch im blutverschmierten Tuch, das den Bühnenhintergrund schmückt, darstellt. Die scharfsinnigen und schlagfertigen Dialoge ließen sowohl bei der Schul- als auch bei der Abendaufführung am Samstag manchen Zuschauenden vor Spannung den Atem anhalten und sorgten für Begeisterung und große Aufmerksamkeit. Auch über aktuelle Präventionsmaßnahmen wurde im Stück informiert. „´Hilferuf Luisa´ nennt sich das. Wenn eine Frau sagt, dass sie eine Luisa sprechen möchte, dann ist sie in akuter Gefahr“, unterrichtet der Inspektor die Jugendlichen in dem Stück, die Evas Hilferuf nicht verstehen konnten, weil Maßnahmen zum Schutze von Frauen von der Politik nicht ausreichend finanziert werden.

Am Ende des Stücks treffen alle zuvor befragten Vertreter*innen gesellschaftlicher Gruppen bei einer Pressekonferenz, zu der das Inspektorenteam eingeladen hatte, zusammen. Dort kommt es zu einer kathartischen Auseinandersetzung mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, die in einem Erkenntnisgewinn aller gipfelt. Bewusstsein schaffen - genau dafür stehen die beiden Inspektoren, die am Ende zur Pressekonferenz nicht erscheinen, da es sie gar nicht gibt, sprich eine solche Instanz fehlt, die neben der Täteranklage auch das „Warum?“ in den Blick nimmt: Woran liegt es, dass niemand im System die Frau ausreichend schützen kann? Und auch das Tagebuch von Eva, welches die Grundlage für die Ermittlungen der Inspektoren war, ist leer – denn „das System kranke immer an denselben Stellen“ oder wie es einer der Jugendlichen am Ende erkennt, brauche es das Tagebuch nicht: „Es sind immer die gleichen Geschichten. Nur die Namen ändern sich, die Geschichten bleiben dieselben.“

72 Stunden - Eine Anklage

Das Ziel unserer gemeinsamen Arbeit ist es, den Ursprüngen dieser Frauen-Morde auf den Grund zu gehen, auf sie aufmerksam zu machen und sie beim Namen zu nennen, um Verharmlosung und Vertuschung entgegenzuwirken. Anstatt die Ursachen dieser Femizide strukturell und als gesamtgesellschaftliches Problem zu begreifen und ernst zu nehmen, wird nämlich noch immer von "Einzeltätern" ausgegangen und der Mord als Beziehungstat privatisiert, an dem die Frau möglicherweise nicht ganz unschuldig ist. Dieses zutiefst patriarchale Vorurteil gilt es zu beleuchten.

Wir freuen uns sehr über das Thema aufzuklären und Präventions-Möglichkeiten zum besseren Schutze von Frauen aufzuzeigen, die jede:n in die Pflicht nehmen. Hierdurch möchten wir selbst einen Beitrag gegen Gewalt an Frauen und für mehr Gleichberechtigung leisten.

Zum Inhalt:

In einer beliebigen Kleinstadt wurde eine Frau von einem Mann ermordet. Sie hat ein Tagebuch hinterlassen, anhand dessen zwei Inspektoren die letzten Kontakte der Ermordeten genau nachvollziehen können. Beginnend bei der Nachbarin suchen sie Vertreter und Vertreterinnen gesellschaftlicher Institutionen auf, von denen sich die Ermordete Unterstützung erhoffte und rekonstruieren nach und nach ein Netz aus Fehleinschätzungen, unterlassener Hilfeleistung, Vertuschung und mangelnder Präventivmaßmahmen! Von den Befragten muss sich niemand der Mittäterschaft beschuldigen lassen. Dennoch sind alle auf ihre Weise nicht unschuldig am Tod von "Eva", wie die Ermordete Frau stellvertretend für die vielen anderen in diesem Stück genannt wird.

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