Inklusion - eine kleine Geschichte

Die IGS Bonn- Beuel war eine der ersten Schulen in der BRD, die im „Modellversuch Integration“ Schüler*innen mit und ohne Behinderungen in die Sekundarstufen I und II aufgenommen hat. Der Modellversuch des Landes NRW dauerte von 1985 bis 1999. Die wissenschaftliche Begleitung der Universität Bonn bestätigte die überaus erfolgreiche Arbeit für alle Schüler*innen. Als Ressourcen standen der Schule damals noch 0,7 Stellen pro Integrationsklasse zusätzlich zur Verfügung. 25 Schüler*innen lernten in einer Integrationsklasse, davon hatten 5 einen nachgewiesenen Förderbedarf und diese 5 waren dazu noch ausgesucht. Nur die wurden damals aufgenommen, die für die Integration günstige Voraussetzungen mitbrachten. Umfassende Inklusion war noch weit weg.

1999 wurde der Modellversuch nach 14 Jahren als erfolgreich beendet. Bei der Ausweitung wurden die bisherigen Stellenzuschläge gekürzt auf nur noch 0,1 Lehrerstellen pro zieldifferent geförderter Schülerin und zieldifferent gefördertem Schüler. Dies wurde ausschließlich mit Haushaltszwängen begründet. Auch, wenn die Landesregierungen die Zuschläge von 0,1 Stellen nun auch für zielgleich geförderte Förderschüler*innen gewährte, so war die Kürzung doch deutlich zu spüren: 26 Schüler*innen pro I- Klasse, davon 6 mit Förderbedarf.

Dennoch baute die IGS Bonn- Beuel die Integration weiter aus. Zunächst wurde eine zweite Klasse pro Jahrgang für den Gemeinsamen Unterricht (GU) angemeldet. Das große Engagement der Eltern, Lehrer*innen sowie der Schüler*innen entwickelte die Schule so weiter, dass in drei von sechs Klassen der Sekundarstufe I gemeinsam gelernt wurde. Diese Klassen wurden als Integrative Lerngruppen geführt (IGS: 26 Schüler*innen, weitgehende Doppelbesetzung, Mischung der Förderbedarfe, Kontinuität möglichst für sechs Jahre). Die Anforderungen waren enorm gestiegen. Ein echtes Losverfahren bei der Aufnahme auch für Kinder mit Förderbedarf war für uns Ausdruck inklusiven Denkens. Jedes Kind, das angemeldet wurde, hatte eine Chance, gezogen zu werden. So wurde mehr Inklusion gewagt. Besonders Schüler*innen mit stark ausgeprägtem emotionalem und sozialem Förderbedarf stellten hohe Anforderungen an einen individualisierten Unterricht in verlässlichen Beziehungsstrukturen. Doppelbesetzung war ein Baustein dafür.
Unsere Forderung: Die Ressourcen für erfolgreiches gemeinsames Lernen müssen bereitgestellt werden.

Aus den Erfahrungen an der IGS Bonn- Beuel ging jedoch auch klar hervor, dass Doppelbesetzungen allein nicht ausreichen, um gute Inklusionsarbeit zu machen. Inklusion geschieht im Team. Individuelle Lernbegleiter, Regelschullehrkräfte und Förderschullehrkräfte müssen in den heterogenen Gruppen auf der Basis von engen Absprachen agieren. Teamarbeit erfordert Teamzeit, um diese Absprachen treffen zu können. All dies leisten unsere Lehrkräfte zusätzlich zu ihrem pflichtgemäßen Stundendeputat.

Verschiedene Landesregierungen setzten jeweils sehr unterschiedliche Schwerpunkte im Bereich der Inklusion in Schulen. So haben die aktuellen Vorgaben der Landesregierung die IGS gezwungen, eine Neuausrichtung des Gemeinsamen Lernens voranzutreiben. Die Zahl der Förderlehrerstellen wurde begrenzt. Menschen verschiedener Professionen wurden eingestellt. Das Verfahren zur Aufnahme von Kindern mit Förderbedarf wurde sehr eng an das Schulamt gekoppelt. Das bedeutet für uns:
- Breite Ausbildung großer Teile des Kollegiums mit sonderpädagogischem Knowhow
- Weniger Doppelbesetzungen, mehr sonderpädagogische Beratung
- Größerer Einfluss des Schulamtes auf die Aufnahme der Kinder mit Förderbedarf

Die gestartete Veränderung im Gemeinsamen Lernen in NRW soll innerhalb von 4 Jahren an unserer Schule dazu führen, dass drei zusätzliche Kräfte für 18 Kinder mit Förderbedarf pro Jahrgang zur Verfügung stehen. Das werden voraussichtlich je zu einem Drittel Förderlehrkräfte, Regelschullehrkräfte und Mitarbeiter*innen verschiedener Berufsfelder sein.

Inklusion ist für die IGS Bonn- Beuel eine grundlegende Haltung. Wir sehen sie als eine Art Blaupause für unsere Gesellschaft. Unsere feste Überzeugung ist es, dass alle Menschen gleich wertvoll sind. Es gilt, jede und jeden so zu unterstützen, dass immer neue Blüten hervorkommen- In Gemeinschaft Stark.

Thomas Wingenroth 22.10.2020


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